Schade, ich war zwei Wochen im Urlaub und konnte hier leider nicht mitdiskutieren.
Ich habe eine Zeit lang für die FSFE gearbeitet und bin noch heute tief in der Routerzwang-Sache drin. Daher kann ich ohne Eigenlobhudelei sagen, dass wir nicht übertreiben und nicht über's Ziel hinausschießen.
Was mir persönlich Angst bei diesem Thema macht, ist nicht die Gegenwart. Mit VPN, Switches und NAT-Routern dahinter und etwas Paranoia kann ich die meisten momentanen Probleme von Zwangsroutern umgehen oder stark abmildern. Doch was, wenn der Routerzwang gesetzlich verankert/toleriert ist, wie es BNetzA und BMWi momentan zulassen? Meint Ihr, es gäbe dann noch Alternativen?
Zwangsrouter sind billiger für ISPs und die wenigen User, die sich um freie Routerwahl scheren, haben keinen relevanten market share, um mit einem Anbieterwechsel Druck ausüben zu können.
Für jede neue Funktion, die in Routern integriert wird, muss ich dann einen neuen Workaround finden. Möchte ich in zehn Jahren meinen Kühlschrank remote steuern, geht das nur mit von ISPs tolerierten Protokollen. Nach einem Firmware-Upgrade muss ich meinen bisherigen Remote-Freezer 3000 wegschmeißen, weil ich nicht mehr zu ihm kommunizieren kann - der Router blockt es.
Für Web-TV-Streams in fünf Jahren braucht man einen kompatiblen, mit dem Router kombinierbaren Fernseher. Man benötigt von ISPs lizensierte Telefone, weil die Schnittstellen nicht mehr universal sind, sondern proprietär und inkompatibel mit alten Telefonen.
Und ist Routerzwang gesetzlich etabliert, kann er im schlimmsten Fall auch auf andere Gerätschaften übergreifen. Gesetzlich wird nämlich oft von einem IAD (Integrated Access Device) geredet. Könnte so nicht auch ein "Zwangssmartphone" etabliert werden? Vielleicht kauft man bald nicht mehr den Vertrag zum Handy, sondern bekommt nur eine Auswahl an Handys für die 4 verschiedenen Verträge, die ein Anbieter im Portfolio hat - natürlich mit immer weniger Zugriffsrechten.
Ja ja, ich weiß, das ist eine sehr düstere Zeichnung der Zukunft. Aber sie ist möglich. Und kurioserweise - und deswegen setzt sich die FSFE auch so kräftig dafür ein - ist sie leicht abzuwenden. Gesetzlich müsste (fast) nur die TAE- oder Multimediadose als Netzabschlusspunkt definiert werden, wo das Netz des ISPs endet und das des Kunden beginnt - und zwar rigoros. Kunden sollen befähigt sein, jedes x-beliebige Gerät daran anzuschließen. So blieben Standards offen, Sicherheit eine für ISPs lohnenswerte Investition und der Wettbewerb zwischen Routerherstellern und ISPs bestehen. Alles andere ist für jeden Verbraucher Schwachsinn, denn von ISPs vorgeschlagene und betreute "Optionalrouter" kann es weiterhin geben, nur hat Jede/r die freie Alternative.
P.S.: Leute, die zum Routerzwang "Alles nicht so schlimm" sagen, unterscheiden sich in meinen Augen leider nicht groß von den "Ich hab nichts zu verbergen"-Sagern im Rahmen der NSA-Affären.
Zur Sicherheit: Michael Tremer, Leiter des IPFire-Projekts (FLOSS Firewall Distribution), hat schon sehr früh klar gemacht, dass auch die beste Firewall im internen Netz nichts bringt, wenn der Router abgeschlossen ist und man keine Gewalt darüber besitzt. Eben auch, weil Abschottung nicht Sinn der Sache ist und nicht jeder Traffic geschützt werden kann.
Disclaimer: Der Text ist kein offizielles Schreiben der FSFE, nur private Tipselei nach 24 Uhr in enorm müdem Zustand. Für offizielle Infos empfehle ich die Infoseiten der FSFE zu diesem Thema:
https://fsfe.org/activities/routersUnd meiner Meinung nach schießt die FSFE halt desöfteren mal ein ganz klein wenig übers Ziel hinaus, also hinterfrage ich lieber mal bevor ich anfange ins gleiche Horn zu stoßen -was nicht heißt das ich generell schlecht finde was die Leute da machen, eher auch hier das Gegenteil.
Findest Du? Ich bin da wie eingangs erwähnt "leider" nicht neutral, würde mich aber sehr über ein paar Beispiele dazu freuen (PN maybe?). Und bitte nicht den Fehler machen und FSFE mit der nordamerikanischen FSF verwechseln