Hallo zusammen,
auf Anregung ralul's möchte ich meine Erfahrungen, positive sowie negative und meine Kritik bzgl. Gnome 3 darlegen.
Meine Vorgeschichte bezüglich DE's ist relativ kurz, da ich auch Linux gerade ein Jahr lang verwende.
Innerhalb der kurzen Zeit habe ich aber Gnome2, XFCE, Gnome 3 und kleinere Spielereien mit *Box Windowmanagern gehabt.
Ich hatte Ubuntu 10.04 mit Gnome 2 und Aptosid mit XFCE parallel in Betrieb. Das ganze musste dann Debian Stable mit Gnome 2 und Debian SID mit Gnome 3 wechseln. Die Konstellationen hatte ich mit Absicht so gewählt um einen guten Rahmen für Vergleiche zu haben.
Da es hier aber nur um Gnome 3 gehen soll, lass ich das Drumherum sein und komme zur Sache.
Ich mochte Gnome 3 nicht. Es sprach mich nicht an und ich hatte zum experimentieren schon XFCE, also warum sollte ich wechseln?
Ich bin ungewollt mit Gnome 3 in Berührung gekommen, weil ich einen meiner Komillitonen bei seinen Problemen mit seinem Notebook(samt Fedora 15) geholfen habe.
Die Bedienung stellte sich erst als gewöhnungsbedürftig dar. Ich habe es zuerst mit reinem Mausbetrieb ausprobiert. Eine DE die den Anspruch hat anfängerfreundlich sein zu sein, sollte doch komplett per Maus bedienbar sein, oder?(Ich weiss, dass es eine Definitionsfrage ist.)
Man konnte es in der Tat so machen, aber es war mehr als ungelenkt und fühlte sich nicht gut an. Erst musste man in die linke obere Ecke, dann durfte man noch nach den Button Anwendungen suchen und dann durfte man sich durch eine große kunterbunte Übersicht(wenn man's denn so nennen kann...) aus Icons wühlen. Wenigstens konnte man die Auswahl durch die verschiedensten Kategorien verringern und hatte an der Seite noch ein Schnellstartermenü für die wichtigsten Anwendungen.
Diese Vorgehensweise bzw. dieses Benutzungskonzept passt wohl eher zu Mausschubsern und nicht zu etwas erfahreren Nutzer. Ich hab meine Kumpel gefragt was er so daran toll findet und da hat er mich auf die Tastenkombinationen hingewiesen und Tatsache auf einmal zündet das Designkonzept der Gnomeshell.(Zugegeben ich habe mich extra dummgestellt um das Designkonzept zu verstehen um es auf Biegen und Brechen zu testen:D )
Mit den unterschiedlichen Tastenkombinationen entwickelt die Gnomeshell erst eine Dynamik die ich im reinen Mausbetrieb nicht für möglich gehalten habe. Das Starten des Aktivitätenmemüs geht leichter von der Hand und man bekommt schnell einen Überblick über alle Aktivitäten(klingt logisch, nicht wahr?)
Auch das Starten der Anwendungen geht schneller von der Hand. Man hat zwei Wege. Entweder nach Aufruf des Aktivitätenmenüs gleich lostippen. Dabei funktionieren direkt die Namen der Anwendungen oder wenn man keine Ahnung hat wie diesen lauten die jeweiligen Kategorien wie Internet, Büro etc.(die man auch an der rechten Seite des Aktivitätenmenüs findet und mit der Maus bedienen kann). Man kann auch den altbekannten Affengriff Alt+F2 verwenden und den Programmnamen eintippen, was aber erstaunlicherweise nicht so bequem ist wie der von Gnome3 angedachte Weg(vorallem nicht wenn man den Namen der Programme nicht weiss).
Das Wechseln zwischen den Fenstern und virtuellen Arbeitflächen kann man ebenfalls über das Aktivitätenmenü durchführen oder über die altbekannten Tastenkombinationen Alt-Tab(für Fesnter) und Alt+Strg+Pfeiltasten(für virtuellen Arbeitsflächen). das ganze ist relativ unspektakulär bis auf eine Sache. Bei Wechseln zwischen Fenstern greift nämlich das anwendungsorientierte Konzept von Gnome 3. Durch diese Paradigma das Gnome3 verfolgt werden nämlich die einzelnen Fenster einer Anwendung zusammengafasst und man kann zwischen denen zwar noch wechseln, aber etwas umständlicher als gewohnt.
Um das Konzept wirklich effektiv zu verwenden muss man ein bisschen umdenken. Wenn man alle Anwendungen ungeordnet, kunterbunt auf den virtuellen Desktops verteilt sucht man sich einen Wolf mit der Alt+Tab-Kombination und kann nicht effektiv mit der Gnomeshell arbeiten. Der Schlüssel ist es die Anwendungen strikt nach ihren Aufgaben auf den Desktops ordnen z.B Arbeit, Systemadministration, Internet etc.
Wenn man diese Ordnung durchzieht wird man von der Gnomeshell mit einem schnellen, strukturierten Arbeitsfluss belohnt der sich auch auszahlt. Ausgehend von meiner bisherigen Erfahrung kann ich sagen, dass ich viel produktiver arbeiten kann wenn man sich auf das neue Konzept einlässt.
Kommen wir jetzt aber von dem Arbeitskonzept zu den designtechnischen Punkten, sprich Optik und Anpassbarkeit. Auch in Punkto Optik hat die Gnomeshell ihre Vor- und Nachteile. Sie ist schön anzusehen, die Effekte sind dezent gehalten und stören nicht bei der Arbeit. Insgesamt sorgt die Gnomeshell für einen optisch sehr konsistenten Desktop wenn man einige Probleme beachtet.
Das erste Problem ist der Mischmasch aus GTK2/GTK3 Anwendungen. Die GTK3-Programme fügen sich auf Anhieb sehr gut in die Gnomeshell ein und es lassen sich die Themes auswechseln. Anders sieht es da bei GTK2-Anwendungen aus. Diese sehen stardartmäßig weniger schön aus und nutzen irgendein Fallback-Theme(ich glaube Raleight heisst es). Gnome3 hat auch kein Werzeug um was daran zu ändern. Abhilfe schafft das Tool gtk-chtheme welches die GTK2-Themes wechseln kann und auch gleichzeitig eine Vorschaufunktion bietet. Ein weiterer Haken ist, dass viele beliebte GTK2-Themes nicht als GTK3 vorhanden sind wodurch auch kein konsistenter Anblick garantiert wird. Momentan ist es noch so das man sich mit den wenigen Themes abfinden muss die es sowohl für GTK2 als auch GTK3 gibt. Ich nutze z.B das GTK-Theme Hope und kombiniere es mit Faenza-Cuppertino Icons. So habe ich einen (für mich) optisch ansprechenden Desktop der auch konsistent wirkt. Für Leute mit anderem Geschmack sieht es noch relativ schlecht aus, aber man kann hier und da ein paar Leckerbissen finden.
Was ich noch bezüglich der Optik ansprechen möchte sind die vielerorts kritisierten Icons und ihre Größe. Diese sind nämlich gar nicht mal so schlimm wie man vielleicht denken mag und sie eignen sich auch für große Monitore. Ich habe z.B Gnome 3 mit einem 23' TFT am laufen und dort relativiert sich die Größe der Icons. Auf dem wirken die nicht so groß wie es den Anschein hat. Es war sogar eher so, dass sie genau so richtig waren wie sie sind. Bei meinem Komillitonen sah die Sache ganz anders aus. Dort waren mir die Icons doch zu groß und klobig und das auf einen 15,6' Monitor. Also ist Gnome 3 nicht mal so sehr für mobile Geräte geeignet.:wink:
Kommen wir aber zu den Einstellungsmöglichkeiten und Anpassbarkeit. Das ist nämlich der größte Schwachpunkt der Gnomeshell bzw von Gnome3. Das Systemeinstellungsmenü ist ein Witz. Für die aller elementarsten Dinge ist noch gesorgt, aber bei weiterführenden Sachen hört es schon auf. Wenn wir das Wechseln der Themes betrachten, stolpert man über den ersten Stein. Es gibt nichts zum Einstellen der Themes bzw. man muss es sich nachinstallieren. Zu nennen sind in dem Fall das Gnome Tweaking Tool und die Gnomeshell Extensions und meinen kleinen Helfer, gtk-chtheme. Man braucht schon alleine für optische Anpassungen 3(!) Tools, wofür man unter Gnome 2 nur eins brauchte(was auch noch vorinstalliert wurde).
Ein weitere negativer Punkt ist auch die Inkonsistenz ziwschen den Tools. Einge Funktionen sind Redundant oder laufen sich gegenseitig über die Füße. Man sollte die einzelnen Tools lieber zusammenfassen, anstatt sich gegenseitig das Wasser abzugraben.
Im Endeffekt merkt man, dass es Gnome 3 noch an Zeit fehlt. Es ist bei der Benutzung ein klares Konzept zu erkennen, dass versucht dem Nutzer einige Sachen abzunehmen und zu vereinfachen. Man versucht mit Gnome 3 ein neues Arbeitskonzept zu erschaffen, was sich auf die elementaren Sachen beschränkt, in gewissermaßen minimalistisch ist, aber dennoch dem Nutzer vollen Komfort bietet was Nutzung und Optik angeht.
Es mangelt der Gnomeshell zwar noch an einigen Stellen, aber die Arbeit mit der Gnomeshell macht mir persönlich Spaß und ich kann mich in Hinblick auf die Zukunft von Gnome beruhigt zurücklegen. Die verbleibenden Kritikpunkte sind Sachen die sich meiner Meinung nach noch verändern werden z.B sind noch nicht alle GTK2-Anwendungen auf GTK3 portiert und es mangelt auch an Auswahl bezüglich der Optik(Themes die zur Gnomeshell,GTK3 und eventuell noch restlichen GTK2-Anwendungen passen).
Ich denke aber, dass es sich bei diesen Sachen einfach noch um Kinderkrankheiten handelt die sich noch geben werden und ich werde die weiteren Entwicklung weiter beobachten.
So, das wär's dann von meiner Seite. Ich hoffe ich konnte euch einen guten Einblick in Gnome3 bieten und hoffe auf eine interessante Diskussion.
LG Martin